Als Münchner Single sind natürlich die letzte Septemberwoche und die erste Oktoberwoche schon standardmäßig im Kalender geschwärzt, denn da ist einfach die Münchner Ausnahmezustand, genannt: Wiesn, oder wie man weltmännisch sagt, das Oktoberfest in München – und damit ist auch klar das sämtliche geschäftliche Termine entweder in den Wochen davor, oder in den Bierzelten laufen müssen – das war auch dieses Jahr nichts anderes – und auch wenn ein Freund von mir, der derzeit sein Exil in Österreich, genauer in Wien hat, in den buntesten Farben die Wiener Wiesn anpries, blieb ich während der Münchner Wiesn in München, aus basta! Und überhaupt: Eine Wiesn bzw. ein Oktoberfest gibt es nur in München, weder in Wien, Tokyo, Frankfurt oder Wuppertal – in München ist das Original und alles andere sind billige Plagiate! Host mi! 😉
Die Wiesn 2013 war „ruhiger“ wie sonst
Was mir dieses Jahr auffiel war und ist, dass die Wiesn „ruhiger“ war, es war weniger los, die Zelte waren unter Tags länger offen, an manchen Tagen sogar bis Schankschluss, und einen Platz im Zelt bekam man eigentlich auch, außer man kam mit einer Horde pubertierender Jünglinge mit Wackel-Hut. Die Stimmung in den Zelten war gut, keine Frage, und es wurde wieder ausgiebig geflirtet und gefeiert, aber irgendwie dann doch weniger ausgelassen wie die letzten Jahre. Ein bisschen kam es mir vor wie wenn man einen Sportwagen an der Ampel in der Leopoldstrasse zwar aufheulen lässt, aber dann doch bis zur nächsten Ampel im gemäßigten Galopp eher dahinrollt. Nachdem ich mich schon im Alter Ü20 befinde habe ich die Partyzelte „Schottenhamel“ und „Hacker-Festzelt“ einfach dieses Jahr komplett ignoriert und war sehr oft in der Augustiner Festhalle.
Als Münchner gefällt es mir im „Augustiner“ einfach sehr gut, denn hier sind einfach aus einer langen Tradition heraus die meisten Münchner anzufinden. Gleichwohl hat das „Augustiner“ auch einfach das beste Bier, welches allerdings dieses Jahr ein wenig stark war. Dieses extrem süffige Bier war so stark dass ich sogar behaupte dass jeder (!) der im Augustiner war, eine Mass zuviel getrunken hatte, Minimum!
Die Stimmung ist im Augustiner Festzelt schon seit dem ich auf die Wiesn gehe nicht die Ausgelassenste, und daran hat auch die Wiesn 2013 nichts geändert – wenn ich aber bedenke dass das Bier einfach sehr stark ist und dann noch eine Partyband wie im Hacker ab 17:00 Uhr die 8000 Besuchern in Stimmung versetzen würde, könnte man das Augustinerzelt vermutlich tagtäglich neu aufbauen, aber vielleicht ist gerade das das Erfolgsrezept für das Augustiner, denn hier ist einfach die Zelt ein wenig „stehen geblieben“ und das meine ich überhaupt nichts despektierlich – im Gegenteil! Wenn ich mir anschaue wie groß dieses Jahr wieder der Andrang auf der „Oidn Wiesn“, also der historischen Wiesn war, dann sehnen sich viele nach der „Guten alten Zeit“ die sie sicherlich auch im Augustiner bekommen. Tradition wird hier einfach groß geschrieben, und da verwundert es auch nicht, dass man in diesem Zelt die mit Abstand meisten Besucher in einer richtigen Tracht also durch und durch traditionsbewusst und stilecht die Jungs mit Lederhosn und Haferlschuhen und die Mädels mit wunderschönen aber traditionellen Dirndl mit Blusen und Schuhen mit Absätzen bewundern konnte.
Eine „richtige“ Tracht
Appropo: Was ich dieses Jahr an Trachten-Faux-Pax alles gesehen habe, würde einen eigenen Blog füllen – es ist mir aber nach-wie-vor unbegreiflich wie Gäste aus vielen anderen Kulturen und Ländern die Wiesn mittlerweile als eine Art „Fasching“ mißbrauchen! Wenn ich mir vorstelle dass ich in England auf der Parade der Queen mit einer gelben kurzen Hose auftauchen würde, denke ich, dass ich sicherlich längere Zeit auf der Insel in Gewahrsam genommen werden würde, genauso in Italien, wenn ich so in Venedig so auftauchen würde – aber irgendwie wird im Ausland die Wiesn falsch dargestellt, anders kann ich mir dies nicht mehr erklären, denn diese Aufzüge haben selbst am Kölner Karneval nichts zu suchen, wenngleich sie da noch besser aufgehoben wären…
Tradition ist Tradition
und wenn ich diese Tradition nicht schätze, oder aber nicht das nötige Geld habe um diese Tradition zu leben, dann lass ich es und geh mit Jeans und T-Shirt auf die Wiesn, aber weder mit einem Faschingskostüm, mit einer Stoff-Imitat-Hose oder einem Kleid von einem Karnevals-Versandshop oder vom Hauptbahnhof wo man das Dirndl für 39.99 Euro und die Lederhose für 79.99 Euro kaufen konnte… – Sorry – das hat nichts mit Tracht und Tradition zu tun!
Und was bei der Oberbekleidung gilt, gilt natürlich auch bei den Schuhen! Chucks, Segel- oder Turnschuhe zur Lederhose sind genauso ein No-Go wie Ballerinas oder gar Flip-Flops! Und glaubt mir, ich habe nicht nur dies alles meinen Augen antun müssen.
Ich könnte noch so viel erzählen, von den Essgewohnheiten russischer Schönheiten im Käfer Biergarten, oder den Halstuchträgern mit kniehohen roten Socken im Schützenfestzelt, von Stangentänzerinnen im Wiesnclub – der After-Wiesn Location, oder dem Typen der bei jeder Flasche Champagner in der Champagnerbar vom Weinzelt 500 Euro Trinkgeld gab – aber das führt zu weit!
Übrigens: Ich weiss nun endlich WAS in den gelben Rollwagen von Sanitäter immer durch die Gegend geschoben wird… siehe Bild!
Ich denke dass die Wiesn 2013 auch deswegen ruhiger war, weil die Stadt München im Frühjahr bei Ihrem Beschluß, mehr freie Tische pro Zelt zu reglementieren einfach einen Denkfehler hatte – denn die Wirte mussten sich dem Beschluß beugen und somit wurden viele Firmen die schon seit Jahren reservierten entweder ausgeladen, oder nicht die gewünschte Anzahl von Tischen angeboten, sodass diese Firmen dann komplett fern blieben. Auf den freien Tischen aber, platzierten sich schon in den frühen Morgenstunden trink- und feierwütige Gäste, vorallem aus dem Ausland, die diese Tische dann den ganzen Tag besetzt hielten, und dank des Bieres diese Plätze dann während des Tages eher in Wild-Camping umfunktionierten – ein Tisch wo alle 8-10 Gäste am Tisch, bzw. auf und unter dem Tisch schliefen war dieses Jahr keine Seltenheit. Hier sollte die Stadt München schnellstmöglich ihren Denkfehler korrigieren und diese Plätze ab 17:00 Uhr wieder zum Reservieren freigeben!
Chaos vor dem Weinzelt
Die Wiesn 2013 war also ruhiger, nur an einem Zelt war spätestens ab 20.10 Uhr totales Chaos angesagt: Dem Weinzelt der Familie Kuffler. Klar geht man ins Weinzelt traditionell später, und eigentlich so, dass man noch vor 21:00 Uhr 2-3 Weissbier „bunkern“ kann – übrigens – der Preis für 0,5l Weissbier im Weinzelt: 7,50 Euro – also dagegen war die Maß (1 Liter) im teuersten Zelt immer noch ein wahres Schnäppchen – aber im Weinzelt war es schon immer „ein wenig“ teurer, aber zurück zum allabendlichen Chaos. Am Hintereingang des Weinzelts spielt sich seit Jahren das gleiche Schauspiel ab: An Absperrgittern stehend wollen im Laufe des Abends immer mehr Gäste in das kleine, feine Zelt und irgendwann muss einfach ein genereller Einlass-Stopp dafür sorgen dass nicht mehr JEDER in dieses Zelt kommt – das verstehe ich! Mir persönlich macht dieser Einlass-Stopp nichts, das bin ich ja von P1, Heart, Pacha und wie die Clubs in München alle heißen gewohnt. Und genauso gewohnt bin ich es auch, dass ich in das Weinzelt reinkomme, man kennt sich einfach… wie jedes Jahr, dachte ich, aber schon am ersten Abend wurde ich eines besseren belehrt, denn die zwei „Reinlasser“ die diesen Job seit Menschengedenken für das Weinzelt gemacht haben waren nicht mehr da – weg, unauffindbar!
Dafür hatten nun zwei total überforderte Jungs das Regiment und wussten natürlich nicht WEN sie reinlassen sollten, WER gut ist, WER WER ist, und WARUM DERJENIGE reingelassen werden sollte… Chaos pur war die Konsequenz aus diesem Dilemma – und das Chaos steigerte sich proportional zum Andrang und gipfelte tagtäglich gegen 23 Uhr, wenn alle anderen Zelte zu hatten und die feierlaunigen Gäste noch für 2 Stunden ins Weinzelt wollten… Mich wundert es echt, dass es hier keine größere Massenpanik gab, denn was in der wobenden, drückenden und dicht-an-dicht stehenden Menschenmasse an den Absperrgittern an Eigendynamik abging spottet jeder Beschreibung. Oftmals wurden die Ober vom Weinzelt selbst aktiv und holten „Ihre“ Gäste rein – klar die Ober wissen WER noch Umsatz macht, WER ein guter Gast ist und WER immer gerne gesehen ist – die zwei Jungs konnten es nicht wissen – woher denn auch?
Drinnen im Weinzelt war die Stimmung natürlich allabendlich sehr sehr gut, und die Högl Fun-Band machte einen wirklich erstklassigen Job, wenngleich ich wirklich froh und begeistert war am zweiten Freitag im Hippodrom gewesen zu sein!
Denn an diesem Freitag heizte mit der Münchner Zwietracht ein gewisser Thomas Gottschalk eine halbe Stunde so ein, rockte das Zelt mit „Highway to Hell“ und „Rocking all over the World“ dass sogar in der Königsloge des Hippodrom alles stand und im Takt mitwippte und lautstark mitsang – diese halbe Stunde war wirklich unvergesslich – und man merkte richtig, als Thomas Gottschalk dann gegen 22 Uhr die Bühne wieder verließ, wie die Luft komplett raus war, weil das ganze Zelt sich eine halbe Stunde voll verausgabt hatte… Wahnsinn!
Mein Fazit:
Ich war von 16 Wiesntagen „nur“ 12 Mal auf der Wiesn, hatte also 4 Fehltage zu verzeichnen und war und bin auch heute noch froh dass diese zwei Wochen vorbei sind und ich sie ohne Wiesngrippe oder sonstige Blessuren geschafft habe. Es war eine schöne Wiesn, ruhiger, aber gerade deswegen konnte ich auch wieder dieses faszinierende Wiesnflair spüren, welches die letzten Jahre immer mehr (bei mir zumindest) abhanden kam.