Endlich wieder auf Wolke sieben schweben ist für jeden Single ein Wunschtraum. Allerdings innerhalb einer Woche wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren nicht. In der letzten Woche nahm ich meine vernachlässigte Partnersuche im Internet mal wieder auf. An einem verregneten Abend loggte ich mich in mein Postfach ein und erkannte, dass es dort immer noch lustig zuging. Ich blätterte also gelangweilt durch die missglückten Kontaktversuche der Männer, bis ich an einer wirklich kreativ geschriebenen Nachricht hängen blieb.

Dietmar, 39, Single, ledig und ca. 100 km entfernt von mir, weckte meine Neugier durch seinen auffälligen Schreibstil. Ok, ich gebe zu, Dietmar ist wirklich kein Name für einen attraktiven jungen Mann. Wie können Eltern nur so grausam sein? Meine Phantasie ging sofort mit mir durch, und ich stellte mir die Frage, wie man zwischen mehreren Küssen zärtlich diesen Namen hauchen sollte… Diiiiieeetmaahhhr….. Gruselig! Ich schmunzelte und schaute mir erstmal sein Profil an.

Mut zur Spontanität

Das Foto überraschte mich. Dietmar sah wirklich gut aus, mit ein paar Kilo zuviel, aber einem tollen Lachen auf dem Foto. Also machte ich mich hurtig auf und schrieb eine Antwort. Wie der Zufall es wollte, war Dietmar scheinbar in genau diesem Moment online und antwortete prompt. Und da ich an dem Abend keine Lust hatte mich mit unzähligen Mails aufzuhalten,  war ich mutig und schlug prompt ein Telefonat vor. Gesagt, getan. 3 Stunden später legte ich beschwingt den Hörer auf, mit der Gewissheit diesen Mann 2 Tage später zu daten. Es war ein wirklich tolles Gespräch. Dietmar gab sich sehr kultiviert in seiner Ausdrucksweise, was mich extrem beeindruckte. Scheinbar hatte der Mann Stil und ich freute mich auf das bevorstehende Treffen.

Rosen im Regen

Am Freitag war es dann endlich soweit. Als ich zum Treffpunkt erschien fiel mir erstmal ein Stein vom Herzen. Das Foto stimmte mit ihm überein, denn ich erkannte ihn bereits von weitem, als ich durch den Regen auf ihn zulief. Was ich nicht sofort sah, war der Blumenstrauß den er hinter seinem Rücken versteckt hielt und mir lächelnd entgegen streckte. Ich war sprachlos. Ja ich, diejenige die so schnell nichts aus der Fassung bringt, bekam kein Wort heraus. Was für eine tolle Geste, mit so einem Omen musste es ja ein toller Abend werden. Und genau so war es auch. Wir unterhielten uns prima, ganze 6 Stunden lang. Er hatte eine außergewöhnliche Ausstrahlung und faszinierende Augen. Ich merkte zwar, dass ich diejenige war die das Gespräch immer wieder in Gang hielt, aber machte mir darüber keine weiteren Gedanken. Typische Berufskrankheit von mir. Bei der Verabschiedung verabredeten wir uns gleich wieder für kommenden Sonntag. Er nahm mich in den Arm und gab mir einen leichten Kuss auf die Wange. Ich schwebte auf Wolke sieben. Sollte ich vielleicht endlich IHN getroffen haben?

Man muss nicht immer das Haar in der Suppe suchen

Aber eine gewisse Skepsis hat noch nie geschadet. Das zweite Date rückte näher und meine Nervosität stieg mit jeder Stunde. Diesmal holte mich Dietmar von daheim ab und brachte mir eine rote Rose mit. Mein Herz hüpfte vor Glück. Auch dieser Nachmittag war wieder sehr schön. Wir gingen spazieren und danach in einem urigen Biergarten etwas essen. Auch an diesem Nachmittag war ich die Gesprächigere von uns. Irgendwann kam das Gespräch auf unsere Ex-Beziehungen. Ich erzählte ansatzweise von meinen nicht so glorreichen  Erfahrungen und fragte wie das denn bei ihm so verlaufen ist. Schweigen! Ich wurde stutzig und dachte ich hätte bei ihm mit der Frage alte Wunden aufgerissen. Fragend schaute ich ihn an. Da nahm er plötzlich meine Hand und sagte verlegen: „Ich will ehrlich zu Dir sein. Ich hatte noch nie eine Beziehung! Das klingt jetzt vielleicht komisch in Deinen Ohren, dass jemand mit 39 noch keine Beziehung hatte, aber ich hatte einfach nie die Ambition danach.“ Schwul??? War mein erster Gedanke, Unverständnis machte sich breit. Ich war geschockt. Sagte, dass er doch sicherlich mal so ein paar Wochen mit einer Frau zusammen war. Die Antwort war „Nein“. Meine Gedanken schlugen Purzelbäume. Für einen Frauenheld, der nur auf das Eine aus war, war er definitiv zu schüchtern. Und warum sollte er mir dann so eine Geschichte auftischen? Suspekt war das schon und als ich dann noch erfuhr, dass er in einer Einliegerwohnung bei seinen Eltern wohnte, entstand folgendes Bild in meinem Kopf: Hardcore-Junggeselle mit Mutti an der Seite, die kocht, wäscht und bügelt!

Nicht verzagen, Freundin fragen

Mit einem Wortschwall versuchte Dietmar mir meine Skepsis zu nehmen und es gelang ihm teilweise auch ganz gut. Trotzdem behielt diese Beichte einen leichten Beigeschmack. Aber ich versuchte diese Gedanken zu verdrängen und diesem lieben Blumenspender eine Chance zu geben. So endete auch dieses Date sehr harmonisch mit einer Umarmung und einem Versprechen sich wieder zusehen. Am nächsten Tag fragte ich meine Freundin erstmal um Rat. Auch sie fand es bedenklich, dass jemand mit 39 noch nie eine Beziehung von mindestens ein paar Wochen gehabt hatte. War aber auch der Meinung, dass er eine Chance verdient habe. In der kommenden Woche war ich beruflich unterwegs. Wir hielten per Telefon und SMS Kontakt. Seine Nachrichten wurden immer emotionaler: „Du bist die Frau mit der ich mein Leben verbringen möchte“, oder „Ich vermisse Dich schon so sehr das es weh tut“ trudelten permanent auf meinem Handy ein. Normalerweise würde eine Frau so etwas doch freuen. Aber nach 2 Dates und KEINEM einzigen Kuss, war mir das eine Spur zu schnell und schreckte mich eher ab. Versuchte Dietmar nun um biegen und brechen das nachzuholen was er 39 Jahre nicht gehabt hatte. Ich sprach mit ihm darüber, dass er bitte einen Gang rausnehmen sollte. Er entschuldigte sich tausendmal dafür und war vermutlich verunsichert. Wir machten für Samstag unser drittes Date aus.

Dinner mit Folgen

Zu unserem dritten Date lud ich Dietmar zu einem selbstgekochten Dinner zu mir nach Hause ein. Wollte ich den armen Kerl doch einfach mal aus der Reserve locken und schauen wir er sich in trauter Zweisamkeit gab. Das Essen war hervorragend, der Wein phantastisch, Dietmar nicht. Er stand unter extremer Anspannung, war nervös und wortkarg. Vermutlich hatte er Angst etwas Falsches zu sagen. Ich versuchte das Gespräch in Gang zu halten aber es wurde auch für mich immer schwieriger und verkrampfter. Während ich in meinen Spaghettis herumstocherte, liefen ihm Schweißperlen über die Stirn. Was sollte ich noch tun? Dann nahm er mir die Entscheidung ab.

„Ich liebe Dich!“. Himmel, DAS wollte ich jetzt nicht hören. Einen Gang zurückschalten war das wirklich nicht. Nicht „ich habe mich in Dich verliebt“ kein „ich glaube ich möchte Dich küssen“… Nein… Er sagte einfach „Ich liebe Dich!“. Mir wurde schlagartig bewusst, dass ich nun den Grund für seine nicht vorhandenen Beziehungen gefunden hatte. Denn wer ohne jeglichen Austausch von Zärtlichkeiten, beim dritten Date „Ich liebe Dich“ zu einer Frau sagt, dem fehlt es scheinbar wirklich an Erfahrung. Es tat mir unendlich leid, aber statt mich darüber zu freuen fielen alle Emotionen von mir ab. Er wollte Nägel mit Köpfen machen und das sofort. Too much… Fern der Realität. Für mich sind Verliebtheit und Liebe unterschiedliche Dinge. Verlieben kann ich mich schnell…. Liebe wächst. Und ich brauche einen Partner der auf meiner Ebene ist. Keinen, der mir wie ein Häufchen Elend, seine Liebe bereits nach einer Woche gesteht.

Ich empfand Mitleid für ihn und habe das Date abgebrochen. Schade, denn es hatte so schön begonnen. Wäre er etwas selbstbewusster an die Sache herangegangen, hätte ich ihm mit Sicherheit eine Chance gegeben – trotz fehlender Erfahrung.

Aber… Die Welt scheint doch noch Kavaliere zu besitzen. Auch wenn es meinem Kavalier an Erfahrung im Umgang mit Frauen fehlte, und er leider den fünften Schritt vor dem Ersten gemacht hat 🙂

Über den Autor

Mitte 30, attraktiv, erfolgreich mit einem tollen Freund an meiner Seite, genoss ich bisher mein Leben in der Münchner Szene. Nach vier Jahren, so glaubte ich, war es an der Zeit mit unserer Partnerschaft zur nächsten Ebene überzugehen. So stellte ich, trotz konservativer Einstellung, die Frage aller Fragen. Und erhielt... Keine Antwort! Warum also weiter Zeit verplempern? Ich zog meine Konsequenz und stürzte mich kopfüber in mein neues Leben. Eine kleinere Stadt, bekannte Gesichter und weniger Oberflächlichkeit, das wünschte ich mir nach den Jahren in Downtown München. Somit machte ich mich Ende 2011 auf den Weg zurück in meine Heimatstadt. Fern der Schicki-Micki Gesellschaft, aber dennoch nah genug um immer noch dabei zu sein. Leider stellte ich ziemlich schnell fest, dass die Idylle der Stadt, die Freundlichkeit und die Männer auch hier eine enorme Wandlung durchlebt haben. Liegt die Oberflächlichkeit also vielleicht gar nicht an der Großstadt? Auf der Suche nach Antworten und wie ich mein Projekt „Back to the Roots“ in Münchens Umgebung meistern werde, und natürlich die Frage, wie viele Frösche ich bis zu meinem Traummann noch küssen muss... möchte ich hier gern mit Euch teilen.

Ähnliche Beiträge

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.